Viola d’amore

Neuer Termin!

Kein Konzert der Winterbeker, aber trotzdem eine Ankündigung wert:

Sonnabend, 6. August 2022, 19:00 Uhr, Gettorf, Konzertkirche St. Jürgen

Suiten und Sonaten für zwei Violen d’amore
von Ganspeckh, Schuchbauer, Telemann, Biber, Terzakis

Die Viola d’amore im Doppelpack: das ist mit Glück für wenige Minuten in Bachs Johannes-Passion zu erleben. Oder im Konzert in der St.-Jürgen-Kirche in Gettorf (wenige Minuten zu Fuß vom Bahnhof entfernt) am 6. August 2022 um 19 Uhr. Die Violen d’amore werden gespielt von Ulrike Kaufmann (Bratschistin im Freiburger Barockorchester) und Florian Mohr (Bratschist am Opernhaus Zürich), begleitet von Christoph Mohr (Gettorf) an der Truhenorgel.

Der Eintritt ist frei mit der Bitte um eine Spende am Ausgang.

Das Programm

Als glanzvollste Periode der Dresdner Musikhistorie gilt die Zeit der sächsisch-polnischen Union (1697–1763), die zum Inbegriff der kulturellen Blüte Sachsens wurde. Im Zentrum des Musiklebens stand die Hofkapelle, die unter dem Kapellmeister Johann Adolf Hasse (1699–1783) und seinem Konzertmeister, dem Vivaldi-Schüler Johann Georg Pisendel (1687–1755), weltberühmt wurde.
Als infolge preußischen Artilleriebeschusses 1760 das höfische Noten­archiv verbrannte, blieben nur diejenigen Musikalien übrig, die an anderer Stelle gelagert oder noch in Gebrauch waren. Zu ihnen gehörten die zahlreichen Instrumentalmusik-Manuskripte mit aufführungsprakti­schen Einzeichnungen Pisendels und die von ihm selbst angefertigten Partiturabschriften. Nach Pisendels Tod wurden die Noten alphabetisch sortiert und minutiös beschriftet im Schranck No: II. abgelegt.

Wilhelm Ganspeckh wurde am 22. Juni 1687 in Adelshausen/Oberbayern geboren. Der Vater und einige seiner Brüder waren Musiker. Wilhelm studierte zuerst am Gymnasium in Landshut, später in Burghausen und legte 1710 im Augustiner-Chorherren-Stift Ranshofen in Oberösterreich die Profess ab. Nach Studien in Ingolstadt wurde er 1715 zum Priester geweiht. Wenig später wurde er Chorregent, 1736 auch Novizenmeister. Die acht erhaltenen Messen nach Altar­heiligen der Stiftskirche, ein Requiem und zwölf Offertorien für vier Singstimmen sind insofern bemer­kenswert, als sie ihre Form aus Abwandlun­gen ostinater Bassmodelle, wohl nach symbo­lischen Gestaltungsprinzipien, bezie­hen. Weitere Kirchen­kompo­sitionen von ihm sind ver­schollen. Am 22. August 1770 starb er hoch­betagt im Kloster.

Die dieses Programm eröffnende Ouverture ex A ist ihm mit großer Wahrscheinlichkeit zuzuschreiben. Die von Johann Georg Pisendel angefertigte Handschrift gehört zur Sammlung Schranck No: II. von Instrumental­werken der Dresdner Hofkapelle.

Dort befand sich auch das Manuskript der Sonate A-Dur für zwei Viole ­d’amore und Basso continuo von Franz Simon Schuchbauer. Über ihn ist lediglich bekannt, dass er als Komponist, Konzertmeister, Trompeter, ­Oboist, Flötist, Holzblasinstrumentenbauer in München wirkte und am 5. Mai 1743 verstarb. In der Sammlung befinden sich Manuskripte verschiedener Werke von ihm für Flöte sowie für Viola d’amore.

Auch von Georg Philipp Telemann finden sich zahlreiche Kompositionen im Schranck No: II. Er wurde 1681 in Magdeburg geboren und zeigte früh beachtliches musikalisches Talent. Mit zehn Jahren begann er, seine ersten Stücke zu komponieren – oft heimlich und auf ausgeliehenen Instru­menten. Im Selbststudium erlernte er Geige, Blockflöte, Zither und Klavier. Insbesondere die Mutter missbilligte seine Beschäftigung mit der Musik, zumal Bekannte sie vor dem oftmals als minderwertig geltenden Musikerstand warnten. Um Georg Philipp von einer musikalischen Karriere abzubringen, beschlagnahmte sie alle seine Instrumente und schickte den Zwölfjährigen zur Schule nach Zellerfeld. Der dortige Superintendent allerdings ermutigte ihn, die Musik wieder aufzunehmen. Als Autodidakt lernte er noch Orgel, Gambe, Traversflöte, Oboe, Schalmei, Kontrabass und Bassposaune. Nach vier Jahren am Gymnasium in Hildesheim ging er 1701 für ein Jurastudium nach Leipzig, wo er ein aus Studenten bestehendes Collegium musicum ins Leben rief. Er komponierte für das dortige Opernhaus und wurde 1704 zum Organisten an die Neue Kirche in Leipzig berufen. Von 1708 bis 1712 war er als Hofkapellmeister in Eisenach tätig, anschließend als Musikdirektor in Frankfurt am Main. 1721 nahm er schließlich die Stelle als städtischer Musikdirektor in Hamburg an, die er bis zu seinem Tode innehatte.

Telemann wurde einer der angesehensten Komponisten der Barockzeit. Er hinterließ ein umfangreiches Werk in allen zu seiner Zeit üblichen Gattungen. Sein Stil orientierte sich am barocken Kontrapunkt, prägte aber zugleich eine galante vorklassische Schreibart. Neben seiner Komposi­tionstätigkeit trug Telemann auch wesentlich zur Etablierung eines öffentlichen Konzertlebens bei. Sein umfangreiches kompositorisches Schaffen umfasst Opern, Orchestersuiten, Kammermusik, Kantaten, Motetten, Passionen und Oratorien. Telemann starb am 25. Juni 1767 in Hamburg.

Heinrich Ignaz Franz Biber wurde 1644 in Stráž pod Ralskem (deutsch: Wartenberg) in Nord­böhmen gebo­ren. 1668 trat er in die Dienste des Fürstbischofs von Olmütz, Karl von Liechtenstein-Castelcorno. In der Rang­ordnung der Bediensteten standen die Musiker damals auf einer niedri­gen Stufe, bei den Kammer­dienern. Der Violinist Biber allerdings fiel durch seine Ausnahmebegabung auf, und schon nach zwei Jahren stand er bei seinem Dienstherrn in so hohem Ansehen, dass er nach Absam in Tirol zu dem berühmten Geigenbauer Jacobus Stainer geschickt wurde, um Instrumente für das Hoforchester einzukaufen. Von dieser Reise kehrte er allerdings nicht nach Olmütz zurück, sondern diente sich dem Fürst­erzbischof in Salzburg an, der den Titel des Primas von Deutschland führte. 1679 wurde er zum Vizekapellmeister der Salzburger Hofmusik ernannt, 1684 zum Kapellmeister.

1789 schrieb der bekannte englische Musik­historiker Charles Burney: „Unter allen Violinisten des vorigen Jahrhunderts scheint Biber der beste gewesen zu sein, und seine Soli sind die schwierigsten und einfallsreichsten aller Musik, die ich aus dieser Zeit zu sehen bekommen habe.“ An Phantasie und Originalität übertraf Biber mit seinen Sonaten alle Vorbilder, die er gekannt und studiert hatte. Der Einfallsreichtum von Bibers Musik geht einher mit einer gewissen Unberechenbarkeit, mit inspirierten Überraschungsmomenten und einem ausgeprägten Hang zum Improvisatorischen. Biber schreibt in seinen Kompositionen häufig teils erheblich vom Üblichen abweichende Umstimmungen – sogenannte „Skordaturen“ – vor, was zu einer ganz neuen klanglichen Differenzierung der scheinbar so vertrauten Streich­instrumente führt.

Heinrich Ignaz Franz Biber war ohne Frage einer der Größten auf diesem Gebiet, und so bieten seine Werke aus dem Zyklus Harmonia artificiosa-ariosa tatsächlich „kunstvoll-sangliche Harmonien“ vom Feinsten, wie es der lateinische Titel verspricht.

Dimitri Terzakis wurde am 12. März 1938 in Athen geboren. An den Musikhochschulen in seiner Heimatstadt und Köln erhielt er bei Yannis Papaioannou und Bernd Alois Zimmermann seine kompositorische Ausbildung.

Im Laufe der Jahre entwickelte er als „Komponist zwischen zwei Welten“ eine eigene musikalische Sprache, die in den Musikkulturen Griechen­lands und des östlichen Mittelmeerraumes wurzelt. Trotzdem ist Terzakis keinesfalls ein bloßer Nachahmer der uralten Traditionen seiner Heimat. Er nutzt jedoch deren technische Elemente, um eine eigene Ausdrucks­weise zu entwickeln, in der horizontale, also melodische Bildungen überwiegen. Terzakis versteht seine Musik als eine Art „Bluttransfusion“ in die Adern der abendländischen Musik, die durch jahrhundertelange Isolation von den großen ost- und außereuropäischen Musikkulturen in eine Art Sackgasse geraten ist.

Auch als Kompositionslehrer bemüht er sich, die Horizonte seiner Schüler zu erweitern. So war er 1985/86 Gastprofessor an der Hochschule der Künste in Berlin, 1989 Professor für Komposition an der Musikhochschule Düsseldorf. Von 1990 bis 1997 leitete er die Kompositionsklasse der Musikhochschule Bern, und ab 1994 bis zu seiner Emeritierung war er ordentlicher Professor für Komposition an der Musikhochschule „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig.

Dimitri Terzakis lebt und komponiert in Leipzig und im griechischen Nauplia.
(Quelle: http://dimitriterzakis.com/vita.html)

Die Instrumente

Viola d’amore, franz. Viole d´amour, deutsch Liebesgeige, ein Geigen­instrument von äußerst lieblichem Tone, das sich besonders zum Vortrag cantabler Sätze eignet. Früher war das Instrument der Liebling aller Gebildeten, und kein musikalischer Zirkel bildete sich, in welchem die Viola d´amour gefehlt hätte; jetzt, wo alles spektakelt und lärmt, ist sie fast ganz vergessen worden. Freilich ist sie auch etwas schwierig zu behandeln, und lassen sich auf ihr nicht solche Trillerkunststückchen ausführen, als auf manchem anderem Saiteninstrumente und wie sie heutzutage notwendig sind, wenn der Virtuose noch irgend einen Bravoruf der Menge erpressen will.  Die Liebesgeige ist lauter Sanftmuth, lauter Gefühl, und nur wer ein für solche zarte Seelenhauche empfängliches Herz hat, wird große Freude an ihr haben. Ihre Freude wie ihre Trauer ist gemäßigt, aber tief das Herz ergreifend und das Innerste durchdringend. […]  

(Gustav Schilling: Encyclopädie der gesamten musikalischen Wissenschaften oder Universallexikon der Tonkunst, Stuttgart 1838)

Die Viola d’amore gehört baulich zur Familie der Gamben. Der Korpus kann in Größe und Form variieren. Die Schalllöcher sind im Gegensatz zu denjenigen der Gamben flammenförmig. Der Wirbelkasten mündet oft in ein Engelsköpfchen mit verbundenen Augen als Sinnbild für Cupido, die „blinde Liebe“. Im Gegensatz zu den Geigen-Instrumenten hat die Viola d’amore fünf bis sieben Spielsaiten. Häufig verfügt sie in einer unteren Ebene über metallene Resonanzsaiten.

Die Stimmung der Spiel- und Resonanzsaiten ist variabel und hängt von der Tonart des jeweiligen Musikstückes ab. Die Grundstimmung ist ein D‑Dur- oder d-moll-Dreiklang. Für das heutige Programm verwenden wir eine A-Dur-Stimmung für die Werke von Ganspeckh und Schuchbauer, eine d-moll-Stimmung für Telemann sowie eine c-moll-Stimmung für die Partia VII von Biber. Für die Stabilität der Intonation ist es nicht sinnvoll, innerhalb eines Konzertes auf ein und demselben Instrument Skordaturen zu verwenden, die weit voneinander abweichen. Deshalb bietet es sich an, zwischen zwei oder mehreren Instrumenten zu wechseln.

Ihre Blütezeit erlebte die Viola d’amore ab Mitte des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit ist ein umfangreiches Repertoire über­liefert. Biber, Telemann, Vivaldi, Bach, Stamitz, Heinichen, Quantz und viele mehr schrieben für dieses Instrument.

Nachdem sie in der Zeit der Romantik allenfalls für exotische Klangeffekte eingesetzt wurde, entstanden ab dem 20. Jahrhundert wieder vermehrt Kompositionen für Viola d’amore, z. B. von Leoš Janáček, Paul Hindemith, Bruno Maderna, Frank Martin, Klaus Huber, Dimitri Terzakis.

Texte und Fotos, wenn nicht anders angegeben: © 2022 Florian Mohr

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